Mit den Augen eines Befremdeten
Der Konsul und die Kölner
Süddeutsche Zeitung, 8.11.2003
Die Bilder kennt man aus vielen anderen Filmen - was es nicht leichter macht, sie anzuschauen. Die Archiv- Aufnahmen des nach den verheerenden Bombenangriffen zerstörten Köln hinterlassen wie so oft Verstörung und Trauer darüber, in welchem Zustand sich Deutschland am Ende des Zweiten Weltkriegs befand. Und doch haben die Bilder auf subtile Art einen anderen Charakter. Weil man sie aus der Perspektive eines Mannes sieht, der eigentlich nichts mit dem Schicksal der Deutschen zu schaffen hat. Der Mann, der da gedankenvoll durch die Wüstenei schreitet, ist der Schweizer Konsul Franz Rudolf von Weiss. Der Fremde hält sich jedoch nicht heraus. Er erweist sich als teilnahmsvoll und scharfsinnig hinsehender Mann, der sich nicht scheut, seine Beobachtungen aufzuschreiben und zu seinen Vorgesetzten nach Berlin und Bern weiterzuleiten.
"Der Konsul und die Kölner - ein Schweizer in der NS-Zeit" von Mathias Haentjes erzählt die ungewöhnliche Geschichte eines Außenstehenden. Eine lohnende Perspektivverschiebung, die mit zahlreichen Passagen aus den Briefen, Berichten und Aufzeichnungen des Diplomaten belegt wird - Dokumente des sich steigernden Befremdens und Erschauderns. Dabei wird indirekt die Frage nach dem Verhältnis der neutralen Schweiz zum Terror- und Völkermordsystem gestellt. Denn von Weiss wird nicht etwa - wie man meinen könnte - als unbeeinflusster Chronist und Informant geschätzt. Weder wenn er 1938 als Augenzeuge der Reichspogromnacht in einem Bericht feststellt, "dass die unmenschliche Aktion gegen die Juden planmäßig auf höherem Befehl durchgeführt wurde." Noch erzielen übermittelte Fotos Wirkung, die an der Ostfront in Waggons erstickte Juden zeigen. Von Weiss gilt in Bern und beim gefügigen Schweizer Botschafter in Berlin eher als jemand, der sich wichtig machen will.
Haentjes` bemerkenswerter Film erinnerte indes an einen Menschen mit Zivilcourage. Einer, der versuchte, vor fatalen Entwicklungen zu warnen. Das zu tun, was in seiner Macht stand. Der Film lässt von Weiss auch deshalb plastisch werden, weil die Tochter Konrad Adenauers, Libet Werhahn, von den zahlreichen Besuchen des Schweizers in Adenauers Rückzugsort Rhöndorf auf der anderen Rheinseite berichtet. Der Respekt auslösende "Onkel Toni" war es, der die Töchter zu den Kölner Messehallen fuhr, um ihren Vater zu besuchen: Adenauer war kurz vor Kriegsende von den Machthabern interniert worden. Dort wo auch Juden eingesperrt wurden, bevor die Nazis sie in Viehwaggons deportierten.
HARALD HORDYCH